Weihnachten

1.  Markt und Straßen steh'n verlassen,
still erleuchtet jedes Haus
sinnend geh ich durch die Gassen,
alles sieht so festlich aus.
2.  An den Fenstern haben Frauen
buntes Spielzeug fromm geschmückt,
Tausend Kindlein steh'n und schauen,
sind so wundervoll beglückt.
3.  Und ich wandre aus den Mauern
bis hinaus ins weite Feld,
hehres Glänzen, heil'ges Schauern!
Wie so weit und still die Welt!
    4.  Sterne hoch die Kreise schlingen,
aus des Schnees Einsamkeit
steigt's wie wunderbares Singen -
O, du gnadenreiche Zeit!

von Joseph von Eichendorff

 

Christkind im Walde

1.  Christkind kam in den Winterwald,
der Schnee war weiß, der Schnee war kalt.
Doch als das heil'ge Kind erschien,
fing's an, im Winterwald zu blüh'n.
   

2.  Christkindlein trat zum Apfelbaum, erweckt ihn aus dem Wintertraum.
"Schenk Äpfel süß, schenk Äpfel zart, schenk Äpfel mir von aller Art!"

3.  Der Apfelbaum, er rüttelt sich,
der Apfelbaum, er schüttelt sich.
Da regnet's Äpfel ringsumher;
Christkindlein's Taschen wurden schwer.

4.  Die süßen Früchte alle nahm's,
und so zu den Menschen kam's.
Nun, holde Mäulchen, kommt, verzehrt, was euch Christkindlein hat beschert!

Vom Christkind

Denkt euch, ich habe das Christkind gesehn!
Es kam aus dem Wald, das Mützchen voll Schnee,
mit rotgefrorenem Näschen.
Die kleinen Hände taten ihm weh,
denn es trug einen Sack, der war gar schwer,
schleppte und polterte hinter ihm her.

 

Was drinnen war, möchtet ihr wissen?
Ihr Naseweise, ihr Schelmenpack -
denkt ihr, er wäre offen der Sack?
Zugebunden bis oben hin!
Doch war gewiss etwas Schönes drin,
es roch so nach Äpfeln und Nüssen!

Anna Ritter

Knecht Ruprecht

Von drauss' vom Walde komm ich her;
Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!
Allüberall auf den Tannenspitzen
Sah ich goldene Lichtlein sitzen;
Und droben aus dem Himmelstor
Sah mit grossen Augen das Christkind hervor.

  Und wie ich so strolcht' durch den finstern Tann,
Da rief's mich mit heller Stimme an:
"Knecht Ruprecht", rief es, "alter Gesell,
Hebe die Beine und spute dich schnell!
Die Kerzen fangen zu brennen an,
Das Himmelstor ist aufgetan,
     

Alt' und Junge sollen nun
Von der Jagd des Lebens einmal ruhn;
Und morgen flieg ich hinab zur Erden,
Denn es soll wieder Weihnachten werden!"
Ich sprach: "O lieber Herre Christ,
Meine Reise fast zu Ende ist;
Ich soll nur noch in diese Stadt,
Wo's eitel gute Kinder hat."

  - "Hast denn das Säcklein auch bei dir?"
Ich sprach: "Das Säcklein, das ist hier:
Denn Äpfel, Nuss und Mandelkern
essen fromme Kinder gern."
- "Hast denn die Rute auch bei dir?"
Ich sprach: "Die Rute, die ist hier;
Doch für die Kinder nur, die schlechten,
Die trifft sie auf den Teil, den rechten."

 
     

- "Hast denn das Säcklein auch bei Dir
Ich sprach: "Das Säcklein, das ist hier:
Denn Äpfel, Nuss und Mandelkern
essen fromme Kinder gern."
- "Hast denn die Rute auch bei dir?"
Ich sprach: "Die Rute, die ist hier;
Doch für die Kinder nur, die schlechten,

 

 

Doch für die Kinder nur, die schlechten,
Die trifft sie auf den Teil, den rechten."
Christkindlein sprach:" So ist es recht;
So geh mit Gott, mein treuer Knecht!"
Von drauss' vom Walde komm ich her;
Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!
Nun sprecht, wie ich's hier innen find!
Sind's gute Kind, sind's böse Kind?

Theodor Storm

 

Tannenbaum im Walde
Diane Legenstein 1998

(

1.  Draußen wird es bitterkalt.
Frierend stapf ich durch den Wald.
Unberührt unschuldig weiß
leuchtet eine kahle Schneis.
Früher stand der Kindertraum,
als ein grüner Tannenbaum
auf dem großen weißen Platz.
Dieser, nun als Weihnachtsschatz,
fehlt mir ungeheuerlich.
                  2.  Jedes Jahr, gar feierlich,
ging ich Heilig Abend fort;
weg von meinem Heimatort.
Eilte schnell zu meinem Baum,
der, für mich, mein Weihnachtstraum.
Zündete ein Lichtlein an.
Dort ward mein Gebet getan.
Mitten in dem friedlich Wald
wurde mir nur selten kalt.

 

3.  Diesmal jedoch fehlet er.
Heilig Abend ist nun leer.
Traurig trotte ich zurück
weinend um verlorenes Glück.
Liebes Christkind, sag warum
sind die Leute gar so dumm?
Morden meinen Tannenbaum,
töten meinen Weihnachtstraum.

 

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